Nicht ohne Grund ist die Zucht kurzschnauziger Rassen in die Kritik geraten. In diesem Zusammenhang wird man immer wieder mit dem Wort „Qualzucht“ konfrontiert. Bei einige Rassen auch ein durchaus passender Begriff.
In letzter Zeit scheint der Begriff „Qualzucht“ aber derart in die Mode gekommen zu sein, dass plötzlich auch Hunde mit der sogenannten Merle – Färbung als solche bezeichnet werden und damit verbunden zum Teil von (Hundesport-) Veranstaltungen und Messen ausgeschlossen werden. Zu Recht?
Wer uns kennt, weiß, dass im November 2022 ein Australian Shepherd Welpe bei uns eingezogen ist. Maybe – ein Blue Merle Aussie mit blauen Augen. Ich muss dazu sagen, dass ich sie nicht nach optischen Aspekten ausgesucht habe. Mein Bauchgefühl hat von der ersten Sekunden an gesagt, dass sie „mein Hund“ ist, völlig unabhängig von der Fellfarbe. Ich finde sie wunderschön so wie sie ist. Wäre sie ein Black Tri gewesen hätte ich sie auch wunderschön gefunden :)
Ich gebe aber gerne zu, dass ich die Merle – Färbung bei Aussies wirklich hübsch und ich die generelle Bezeichnung als „Qualzucht“ völlig überzogen finde.
Doch was versteht man überhaupt unter dem Merle – Faktor? Welche Auswirkungen hat dieser und warum muss man bei der Zucht ganz genau aufpassen? - Zeit, über die wichtigsten Mythen aufzuklären.
Was ist der Merle – Faktor?
Ganz einfach formuliert handelt es sich bei dem Merle – Faktor um eine Genmutation der Fellfarbe. Hierdurch kommt es zu einer Fehlfunktion beim Silver – Gen, was zu einer Farbverdünnung der ursprünglichen Fellfarbe führt. Fell und Haut dieser Hunde sind unregelmäßig gefärbt, sodass es zu der „gescheckten Optik“ kommt. Oft sind die Augen dieser Hunde blau oder auch mehrfarbig.
Was macht das Fell eines Merles eigentlich so besonders?
Das Farbpigment Eumelanin ist eigentlich schwarz, doch nicht bei den Hunden mit dem Merle – Faktor. Durch die Pigmentstörung sind große Partien des Haarkleides, der Haut und Augen aufgehellt. Das Fell erscheint also an Stellen, die im Grunde schwarz wären, in anderen Farbnuancen wie grau, silbergrau, kupfer aber auch blaugrau. Die Flecken sind unterschiedlich groß und immer unterschiedlich angeordnet, sodass kein Merle dem anderen gleicht.
Wie wird das Merle – Gen vererbt?
Bei der Merle Färbung ist ein Allel (Gen – Paar) an der Vererbung beteiligt, bei welchem die Dominanz unvollständig ist. Dieses Gen – Paar besteht au dem Merle – Faktor „M“ und dem Monofarbigkeits – Gen „m“
Daraus ergeben sich folgende Möglichkeiten:
„mm“: Die Anlage für die Fellfarbe Merle liegt nicht vor. Das Tier hat selbst die Fellfarbe Non-Merle.
„Mm“: Merle heterozygot (mischerbig) - Die Anlage für die Fellfarbe Merle wird mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit an die Nachkommen vererbt. Das Tier hat selbst die Fellfarbe Merle.
„MM“: Merle homozygot (reinerbig) - Die Anlage für die Fellfarbe Merle wird mit einer 100%igen Wahrscheinlichkeit an die Nachkommen vererbt. Das Tier hat selbst die Fellfarbe Double-Merle
Neben den Hauptformen gibt es auch die sogenannten Crypic Merle, die Atypical Merles und die Halequin Merles. Bei den Crypic Merles besteht das Problem, dass sie oft nicht direkt als Merle erkennbar sind und nur durch einen Gentest als solche identifiziert werden können. Halequin Merles weisen ein als Harlekin bezeichnendes Muster auf, bei dem das Haar zwischen den verdünnten und pigmentierten Bereichen vollständig weiß ist. Beim Atypical Merle ist das Haarkleid oft deutlich weniger gescheckt.
Doch was ist nun das Problem?
Offensichtliche Folgen der Genmutation sind also Haut-, Fell- und Augenfarbe. Doch neben diesen sichtbaren Merkmalen, kann es zu gesundheitlichen Nachteilen kommen. Oft wird mit genau dieser Aussage das Thema beendet und das Wort „Qualzucht“ in den Raum geworfen. Hunde mit dem Merle – Faktor können gesundheitliche Nachteile haben also handelt es sich um eine Qualzucht. Punkt.
Diese Betrachtung ist jedoch völlig falsch.
Hunde, die das Gen nur ein Mal in sich tragen, sind in der Regel gesund. Die Wahrscheinlichkeit taub geboren zu werden liegt nicht höher als bei Hunden ohne Merle – Faktor.
Die Problematik, die eine Einstufung als „Qualzucht“ rechtfertigt, ergibt sich aus der Verpaarung zweier Merle – Hunde. Hier besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass die Hunde taub sind. Manche Hunde sind nur einseitig betroffen, manche beidseitig. Bei reinerbigen (homozygoten) Tieren sind 10% einseitig und 15% auf beiden Ohren taub. Bei den Augen kann es zu Spaltbildungen der Augenhäute kommen, zu stark verkleinerten Augen oder entrundete Pupillen, sodass viele Welpen blind zur Welt kommen.
§ 11b Abs.1 des deutschen Tierschutzgesetzes verbietet, Wirbeltiere zu züchten wenn die Nachkommen „als Folge der Zucht (…) erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten.“
Darauf ergibt sich, dass es schlicht verboten ist, Merle mit Merle zu verpaaren. Aktuelle Zahlen gehen davon aus, dass 50% bis 100% der Nachkommen aus zwei reinerbigen Merle – Hunden gesundheitliche Einschränkungen aufweisen.
Einen mischerbigen Merle Hund mit einem Hund ohne Merle Gen zu verpaaren ist folgerichtig erlaubt (wie im Fall von Maybe).
Die Art der Fellfärbung lässt einen ersten Schluss auf Taub- oder Blindheit zu, denn je weißer der Bereich um die Ohren ist, umso wahrscheinlich liegt ein Problem vor. Gleiches gilt für die Färbung um die Augen herum. Dieser Bereich sollte nicht rein weiß sein.
Der häufig verbreitete Mythos, Hunde mit blauen Augen habe eine Augenerkrankung, ist völlig falsch. Maybe hat zwei komplett blaue Augen und wurde ohne Befund auf alle erdenklichen Augenerkrankungen getestet.
Bei welchen Rassen gibt es den Merle – Faktor
Die wohl bekanntest Rasse mit dem Merle – Gen ist der Australian Shepherd. Ebenso möglich ist der Merle – Faktor bei zum Beispiel folgenden Rassen: Border Collie, Collie, Dackel, Chihuahua, Deutsche Dogge, Pit Bull und einigen weiteren.
Wenn der Merle – Faktor nicht deutlich sichtbar ist (wie zum Beispiel beim sogenannten Cryptic Merle), kann dieser mithilfe eines Gentests bestimmt werden.
Sollte man denn überhaupt einen Hund mit Merle – Faktor kaufen?
Das muss jeder grundsätzlich selbst für sich entscheiden. Ein Hund mit einem Merle – Faktor ist nicht generell krank. Solange nur ein Elterntier den Merle – Faktor aufwies, sind die Welpen grundsätzlich gesund und haben ein genauso geringes Risiko taub oder blind geboren zu werden, wie andere Rassen, bei denen es den Merle – Faktor gar nicht gibt.
Wichtig ist nur, dass nicht beide Eltern diese Genmutation aufweisen. Der Hund sollte in jedem Fall von einem seriösen Züchter stammen, dessen Elterntiere genetisch untersucht wurden und entsprechende Papiere vorliegen. Dies sollte aber generell gelten: Entweder man adoptiert einen Hund aus dem Tierschutz oder man kauft einen Hund bei einem seriösen Züchter mit Papieren und allen genetischen Untersuchungen. Alles dazwischen unterstützt lediglich unseriöse Vermehrer und illegalen Welpenhandel.
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Sandra mit Shiva (Montag, 20 März 2023 10:26)
Hallo Sabrina,
das hast du toll und verständlich erklärt. Diese neue Einstufung und strengen Regeln haben grade im Hundesport ja einen großen Wirbel verursacht. Viele meiner Vereinskameradinnen mit Merle-Hunden sind erstmal zum Testen gegangen. Hätte ich wohl auch gemacht. Man möchte ja die Startzulassung behalten und außerdem den Beweis, dass der Hund gesund ist.
Übrigens... mir gefallen die Merle-Hunde auch sehr gut und ich liebäugel ja immer schon mit einem Merle (allerdings Border). Das mit dem No-Go für Merle-Merle wusste ich schon, aber mit den Crypic Merle ist mir nun neu gewesen. Gut zu wissen, sollte ich mich doch mal für einen Hund vom Züchter (und nicht aus dem Tierschutz) entscheiden.
Flauschige Grüße
Sandra & Shiva