Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass zwischen einem ganz normalen Tag mit einer tollen Runde am See, spielen am Wasser und Fangen Spielen auf dem Weg nach Hause und dem Tag, an dem ich weinend neben Queen sitze und ihren letzten Herzschlag spüre, drei Tage liegen würden. Doch nun sitze ich hier und schreibe diesen Artikel. Für mich, damit ich meine Gedanken sortieren kann. Für euch, weil mich eure Anteilnahme wahnsinnig berührt hat. Doch vor allem für Queen, denn ich hoffe, dass wo immer sie auch gerade sein mag, spürt wie sehr ich sie vermisse.
Wenn man die ganze Geschichte verstehen möchte, dann muss ich im Januar 2021 beginnen. Ich entdeckte Knubbel an ihrer Milchleiste, woraufhin diese einige Tage später operativ entfernt wurden. Sie war läufig, sodass sie nicht direkt mit kastriert werden konnte. Es kam daher wie es kommen musste: es entstanden neue Knoten und sie wurde erneut operiert und kastriert. Entgegen meines Wunsches wurde ein kleiner Gesäugekomplex stehen gelassen, damit eine Naht "gespart" werden konnte und damit fing alles an.
Ich hab geweint, geschrien, gefleht. Ich hatte eine solche Angst, dass ich Queen verlieren würde, dass ich beinahe täglich und vor allem nachts Panikattacken hatte. Ich hatte Angst, dass sich in anderen Organen etwas bilden könnte oder dass noch weitere Knoten in dem letzten Stückchen Gesäugeleiste entstehen würden. Mehr als nur regelmäßig war ich mit ihr beim Tierarzt. Ich ließ sie immer wieder durchchecken bis die Ärztin mich fragte, ob ich mir nicht psychologische Hilfe suchen wollte. Oh und wie ich das wollte, aber bekomm mal einen Platz. Ich habe es mehr als einmal versucht...
Immer wieder tastete ich das letzte Stück Milchleiste ab. Täglich. Mehrmals. An schlechten Tagen bis zu 30 Mal. Dabei tat mir Queen so leid, dass ich jedes Mal geweint habe. Und auch jetzt treibt es mir wieder die Tränen in die Augen, wenn ich daran denke, wie geduldig Queen das alles hat über sich ergehen lassen. Als ob sie wusste, dass ich das gerade brauche.
Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Nachmittag, an dem ich Jan von der Arbeit holen sollte. Ich hatte die Schuhe schon an und ging doch noch einmal zurück zu Queen. Noch einmal tasten, ob alles in Ordnung ist. Als ob in der letzten Stunde dort etwas gewachsen sei, aber sicher ist sicher. Es durfte mir auf keinen Fall erneut passieren, etwas zu übersehen. Ich habe die Knoten beim ersten Mal erst gemerkt, als sie schön größer waren als eine Erbse. Das habe ich mir bis heute nicht verziehen. Ich taste sie also ab. Im Liegen. Im Stehen. Ach einmal noch im Liegen, nicht dass du etwas übersehen hast. Plötzlich wurde mir heiß. Eine Hitze durchströmte meinen Körper, dass ich dachte, ich müsse mich übergeben. Falscher Alarm. Es war nur eine Hautfalte. Sicher? Lieber doch noch einmal im Stehen fühlen. Ich war schon draußen im Auto und konnte nicht los fahren ohne noch einmal hinein zu gehen und mich noch einmal zu vergewissern. Und noch einmal.
Als ich bei Jan ankam, stand er bereits zehn Minuten im Regen und war komplett nass.
Das Ganze ging vom April 2021 bis Januar 2022. Ich wusste, dass ich so nicht weiter machen konnte. Ich fand keine Hilfe, konnte aus meiner Haut nicht raus. Und so sprach ich mit Queens Ärztin. Sie bot mir an, dieses letzte Stück herauszunehmen. Queen wäre top fit. Das wäre ein kleiner Eingriff und da wäre sowieso eine Warze, die dann direkt mit entfernt werden könnte. Ich willigte ein.
Für wenige Tage spürte ich Erleichterung. Bis zur Nacht vom 19.01.2022 auf den 20.01.2022. Ich wurde wach und hörte ganz seltsame Geräusche. Queen hatte eine Krampfanfall. Ich dachte, sie stirbt. Ich kann heute nicht mehr sagen, wie lange sie krampfte. Ich schrie, weinte und bettelte. Wir waren nachts im Notdienst, weil ich mir nicht anders zu helfen wusste. Was bei dem Notdienst bzw. anschließend mit dem Notdienst habenden Arzt passiert ist, kann und werde ich hier nicht thematisieren. Ist auch für die weitere Geschichte irrelevant.
Sobald unserer Klinik geöffnet hatte, rief ich dort an. Queen wurde dort untersucht und durchgecheckt, aber man konnte keine Ursache finden. Da in den folgenden 24 Stunden kein erneuter Krampf kam, hakte unsere Ärztin das Ganze erst einmal unter einer einmaligen Sache ab. Eventuell alles etwas viel mit der OP, den Medikamenten usw. Ich hatte so ein schlechtes Gewissen, dass ich viele Tage nahezu schlaflos blieb.
Das ganze Jahr über hatte ich immer wieder den Eindruck, es würde etwas nicht stimmen, doch die Ärzte fanden nichts. Niemand sah, was ich sah und alle sagte immer "die ist doch top fit". "Lass sie einfach mal Hund sein". Und so begann ich, jeden Tag so gut es geht auszunutzen. Ich wollte wenigstens nicht bereuen, die Zeit nicht genutzt zu haben. Wir haben nur noch gemacht, worauf wir Lust hatten. Dann waren die Hunde halt täglich dreckig und nass. Dann konnte ich halt zwei Stunden weniger arbeiten am Tag - so what. Egal, was auf uns zukommen würde, ich wollte jeden Tag zum besten Tag gemacht haben.
In den Wochen danach ging es ihr gut, doch in mir wuchs das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Einmal im Monat waren wir bestimmt beim Tierarzt, denn ich wurde die Angst einfach nicht los. Ende April kam es erneut zu einem Krampf. Aber anders. Sie krampfte lediglich in einem Bein. Im rechten Hinterlauf. Wir gingen von einem muskulären Problem aus, fingen an Zusätze für den Nährstoffhaushalt zu füttern. Vier Wochen später im Mai ein erneuter Krampf. Wieder in der rechten Hinterhand. Mit Absprache unserer Physiotherapeutin behandelte ich sie mit Wärme und Massagen. Machte kleine Übungen für ihre Hinterhand usw. Einige Wochen später kam es erneut zu einem Krampf im rechten Hinterlauf. Immer nachts. Meist gegen 5 Uhr. Mit Absprache unserer Tierärztin bekam sie ein Medikament, um Muskelverspannungen zu vermeiden kombiniert mit einem Schmerzmittel.
Ich dachte zunächst es würde besser, doch vor ungefähr zwei Wochen merkte ich erste Veränderungen. Queen war nicht mehr so standfest in der Hinterhand. Ich schob es auf die muskelentkrampfenden Mittel und versuchte noch mehr Übungen in den Alltag einzubauen. Dann kam der Tag, an dem ich "dreh dich" zu ihr sagte. Ihr erster Trick, den sie im Schlaf und aus jedem Winkel beherrschte. Sie schaute mich an, als hätte sie diese Worte noch nie gehört. Vielleicht hat sie heute keine Lust oder keinen guten Tag. Ich schob meine Angst beiseite.
Vergangene Woche hatte Queen am Donnerstag einen Krampf. Ich war verzweifelt, weil ich so langsam mit meinem Latein am Ende war. Wir überlegten, Anfang der Woche zum Arzt zu fahren. Ein Bandscheibenvorfall stand im Raum. Das sollte abgeklärt werden.
Freitag nachmittag saßen Jan und ich im Wohnzimmer und ich hörte plötzlich Queens Krallen auf den Boden schlagen. Ich höre sie immer noch, sobald es ganz still ist. Ich rannte hin und fand sie krampfend auf dem Boden im Flur. Zum ersten Mal nicht nachts. Zum ersten Mal am ganzen Körper. Der Krampf dauert nicht lange, doch veränderte alles. Anschließend sah sie mich an wie sie mich noch nie angesehen hat. Durcheinander und hilflos. Ich rief direkt in der Klinik an und wir fuhren sofort los.
Die Ärztin checkte sie durch und sprach recht schnell ihre Vermutung aus: Hirntumor. Ich wollte das nicht glauben, denn schließlich hatte sie die Krämpfe lokal, wusste aber auch, dass irgendetwas anders war. Queen war nicht mehr Queen.
Es wurde ein großer Check Up durchgeführt, um die Narkosefähigkeit prüfen zu können, denn am Montag morgen sollte sie für ein CT / MRT zurück in die Klinik kommen. Mein erster Gedanke war nur "wie soll ich das Wochenende überstehen?" Die Ärztin setzte noch einen oben drauf: "Wenn es ein Tumor im Kopf ist, sollen wir sie dann überhaupt aufwachen lassen?"
Zuhause angekommen schien es ihr besser zu gehen. Ich beruhigte mich, indem ich mir einredete, dass es sicher nur ein Bandscheibenvorfall wäre. Laut Check Up war alles top, also wäre eine Narkose für eine Bandscheiben - OP ja kein Problem und dann würde alles wieder gut. An diesen Gedanken klammerte ich mich bis Sonntag. Weil es ihr augenscheinlich gut ging, sind wir Sonntag bei meinen Eltern vorbei gefahren. Sie kam rein und man sah ihr an, dass sie nicht wusste, wo sie ist. Sie wusste nicht mehr, dass Mama neben den Wassernapf immer ein Leckerlis für die Hunde legte, sie wollte nicht auf ihrem Kissen liegen. Sie wollte nur noch raus. Von dem Moment an fühlte ich nichts mehr. Der Rest der Zeit lief wie ein Film an mir vorbei. Zuhause in ihrem gewohnten Umfeld war sie wieder ruhiger, doch unterwegs kam immer mehr hinzu. Sie schaute einem Radfahrer hinterher, als hätte sie noch nie ein Fahrrad gesehen. Sie war wie ausgewechselt.
Montag morgen sollte sie um 8.30 Uhr in der Klinik sein. Vorher hatte ich einen kurzen Moment mit ihr allein. Sie schaute mich hilflos an, winselte. Ich setzte mich zu ihr, sie leckte mir durchs Gesicht und legte den Kopf auf mein Bein. Ich wollte sie streicheln, doch sie legte ihren Kopf in meine Hand. Ich wusste, was sie mir sagen wollte. Sie war bereit. Doch ich war es nicht. Wie auch? Wie soll man je bereit sein, sein über alles geliebte Tier gehen zu lassen. Mit einem Restfunken Hoffnung fuhren wir zu Klinik. Leider ist es bei uns so, dass man die Tiere dort abgeben muss, also man darf nicht dabei bleiben wenn es um ein CT geht. Ich saß im Wartezimmer und füllte die Papiere für die Narkose aus. Queen lag neben mir. Plötzlich klingelte mein Handy. "Es sieht ganz so aus, als hätte der Deckakt geklappt. Ruby ist scheinbar tragend." Ich schaute Queen an und sie atmete tief und lange aus. Ich wusste direkt, heute wird sie gehen. Sie hat dafür gesorgt, dass wieder ein Hund ins Haus kommt, damit sie in Frieden gehen kann. Ich wusste direkt, das ist ein Zeichen. Queen wird heute gehen. Ich gab ihr einen dicken Kuss, wollte vor ihr nicht weinen um sie nicht zu verunsichern. Als hätte sie meine Angst und Traurigkeit nicht auch ohne Tränen gespürt. Ich schaute mich nach ihr um, doch sie lief entspannt mit der Helferin mit.
Was ich an dem Morgen gemacht, gesagt oder gedacht habe, ist wie aus meinem Kopf gelöscht. Ich erinnere mich an nichts. Um 13,20 Uhr klingelte mein Handy. "Frau Stegemöller, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass sich der Verdacht bestätigt hat." An mehr erinnere ich mich nicht. Wir fuhren direkt in die Klinik. Queen war wie von mir gewünscht noch in Narkose. Sollten wir sie gehen lassen, wollte ich sie nicht für fünf Minuten wecken, damit sie ihr völlig verheultes, verängstigtes Frauchen sieht und fünf Minuten später wieder einschlafen soll. Der Tumor war groß. Aufgrund der Verhaltensveränderung in den letzten zwei Wochen und der gesamten Geschichte ging die Ärztin aus, dass das ein sehr schnell wachsender Tumor ist, der ihr wahrscheinlich keine Woche mehr geben würde. Zudem hatte sie mehrere Bandscheibenvorfälle, die für die Muskelkrämpfe der letzten Zeit verantwortlich waren. Was für ein unglaublicher Zufall...
Ich liebe Queen über alles. Ihre Bedürfnisse habe ich immer über meine eigenen gestellt. Bedingungslos. Für mich stand immer fest, dass ich niemals einen Hund aus egoistischen Motiven am Leben halten würde. Queen war nicht mehr meine Queen und ich hatte eine wahnsinnige Angst, dass sie einen erneuten Krampf bekommen würde, den sie nicht überleben würde. Das hätte ich mir niemals verzeihen können und so ließ ich mein Bärchen am Montag um 14.40 Uhr gehen.
Nachdem ich diese Zeilen schrieb, habe ich eine lange Pause gemacht. Es hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen, weil ich zum ersten Mal seit Montag wieder "mein Bärchen" geschrieben habe und hierbei wird mir bewusst, dass ich noch nicht in der Lage bin diese Worte laut auszusprechen. Ich kann es einfach nicht glauben. Ich bin unendlich traurig. Queens Tod hat mich zerrissen. Ich schlafe nur mit Tavor, kann nicht essen. Ich suche verzweifelt nach einem Zeichen, dass sie irgendwie noch da ist. Wie es weiter gehen soll, weiß ich nicht. Ich höre sie hecheln, höre sie trinken, suche sie im Flur. Mehrmals täglich liege ich in ihrem Körbchen, rieche an ihrer Decke und weine. Wenn ich mit Püppi draußen bin, schaue ich mich um, weil ich Queen suche. Ich kann es einfach nicht begreifen. Ich will mein Bärchen zurück. Ich würde alles tun, nur um noch einen Tag mit ihr verbringen zu dürfen. Noch einmal im Wasser plantschen, noch einmal zusammen ein Eis essen. Einmal noch gemeinsam über die Wiese rennen und Püppi fangen.
Noch nie habe ich einen größeren Schmerz empfunden. Die Trauer tut regelrecht weh und schnürt mir die Brust zu. Ich hoffe, dass sie meine Worte gehört hat, kurz bevor sie gegangen ist. Ich hoffe, dass sie meine Liebe spürt und ich hoffe, dass ich bald spüren kann, dass sie irgendwie immer noch da ist.
Heute morgen war ich mit meiner Freundin spazieren. Dort, wo Queen es geliebt hat. Ich habe ihr erzählt, dass ich nach einem Zeichen suche. Nach Etwas, was mir zeigt, dass sie noch da ist. Meine Freundin sagte mir, Queen müsse erst einmal dort oben ankommen. Da hätte man schließlich eine Menge zu tun. Als ich nach Hause kam, war das Bild meiner verstorbenen Oma umgefallen. Als das Bild das letzte Mal umgefallen war, hatte meine Mutter einen Herzinfarkt. Ich habe weinend gelächelt. Queen ist bei Oma angekommen.
Kommentar schreiben
Pfister Angelika (Donnerstag, 04 August 2022 13:38)
Wow, gerade Dein letzter Satz hat mich endgültig umgehauen. Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurück halten. Ich habe jeden Tag Angst dass mein Schatz Amy irgendwann einmal gehen muss. Ich habe das leider schon mit meinen Hasen und meinem Kater erleben müssen und es ist völlig egal wie groß das Tier ist, es tut jedesmal unendlich weh. Liebe Sabrina ich wünsche Dir von ganzem Herzen viel Kraft für die nächste Zeit und sei Dir sicher, Deine Queeni ist immer bei Dir❤️
Fühl Dich ganz fest gedrückt�
Wuschelina (Donnerstag, 04 August 2022 13:42)
Liebe Sabrina,
ich hab bei deiner Insta Story schon mit geweint. Egal wie oft ich deine Geschichte höre -die Gefühle spüre, die sie transportiert -, sie geht mir unter die Haut. Ich könnte gar nicht mehr sagen, wie lange ich euch gefolgt bin, meist nur als stille Leserin auf dem Blog, immer mal wieder mit Pausen zwischen drin. Aber auch wenn ich erst neu dazu gekommen wäre, würde ich wissen wie viel Queen dir bedeutet hat und ich bewundere dich, dass du diesen Schritt gegangen bist. Das du rational denken konntest. Die Stärke deine Gefühle mit der Welt zu teilen und weiter zu machen.
Ich wünsche dir auch weiterhin ganz viel Kraft und Liebe. Auf das du in deinen Alltag zurück findest, wenn du bereit dafür bist, und mit einem Lächeln auf die Zeit zurück blicken kannst. Und bestimmt wird der bevorstehende Zuwachs nicht Queen sein, das kann gar nicht sein, aber sicher wirst du Momente erleben, in denen du Queen wieder erkennst - und wenn es nur der verschwundene Käse auf deinem Brot ist.
Und weil ich gefühlt voll unfähig in sowas bin, bin ich jetzt lieber einfach ruhig. :')
Fühl dich gedrückt.
Yvo
Melody (Donnerstag, 04 August 2022 16:53)
�
Prisca Schweizer (Donnerstag, 04 August 2022 23:05)
Als ich deine Zeilen gelesen habe.....nur noch pipi in den Augen.....ich kann alles verstehen und nachvollziehen auch ich habe all dies durchgemacht fühl dich gedrückt